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Definitionen |
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Für das Verletzungsrisiko bei Auffahrunfällen ist insbesondere das Maß der Beschleunigung entscheidend, der das Fahrzeug und der Insasse bei einem Auffahrunfall ausgesetzt sind. Theoretisch optimal wäre es, wenn man den Verlauf der auf den Insassen und seine Körperteile einwirkenden Beschleunigung kennen würde bzw. errechnen könnte. Wegen der Vielzahl der im einzelnen nicht mehr rekonstruierbaren Faktoren ist dies aber auf sinnvolle Weise nicht möglich. Stattdessen wird die Unfallschwere durch eher summarische Größen beschrieben.
Als besonders brauchbar hat sich hier die Geschwindigkeitsänderung (delta v) erwiesen, die durch den Anstoß in das Fahrzeug eingeleitet wird. Hier kurze Begriffsdefinitionen:
- Unter Kollisionsgeschwindigkeit oder Aufprallgeschwindigkeit versteht man die Geschwindigkeit, mit der ein Fahrzeug auf ein anderes aufprallt.
- Die Differenzgeschwindigkeit oder Relativgeschwindigkeit ist der Unterschied zwischen den Geschwindigkeiten beider Fahrzeuge beim Aufprall.
Wenn beispielsweise ein Pkw mit 50 km/h auf das Heck eines mit 10 km/h fahrenden Pkw auffährt, beträgt die Differenzgeschwindigkeit 40 km/h
und die Kollisionsgeschwindigkeit 50 km/h. Wenn ein Fahrzeug bei dem Zusammenstoß im Stillstand ist, ist die Differenzgeschwindigkeit mit der
Kollisionsgeschwindigkeit identisch.
- Im Gegensatz zu den beiden Erstgenannten kommt die Geschwindigkeitsänderung, delta V, erst nach dem Stoß zum Tragen. Sie ist der Betrag, um den sich die Geschwindigkeit eines Fahrzeugs infolge des Anstoßes ändert. Beispiel: Ein Pkw stößt mit 50 km/h gegen ein stehendes Fahrzeug. Dieses wird dadurch aus dem Stand auf 30 km/h beschleunigt. Die Geschwindigkeitsänderung des zuvor im Stillstand befindlichen Fahrzeugs beträgt 30 km/h.
- Eine Sonderrolle spielt die EES (energie-äquivalente-Geschwindigkeit, Energy-Equivalent-Speed).
Im Gegensatz zu den drei anderen tritt dieser Wert bei einer Kollision nie tatsächlich auf, ist also auch nicht direkt messbar.
Vielmehr ist die EES eine theoretische Größe, die dazu dient, das Maß an Deformationsarbeit, das ein Fahrzeug
bei einem Zusammenstoß geleistet hat, zu beschreiben. Diese Art der Beschreibung hat sich zum einen eingebürgert, weil
Angaben in km/h oder in m/s leichter zu handhaben und anschaulicher sind als Angaben in Nm (Newtonmeter, Einheit von Arbeit bzw. Energie).
Vor allem aber entspricht bei einem zentralen Aufprall gegen ein starres, unbewegliches Hindernis (und nur dann!) die Kollisionsgeschwindigkeit
annähernd der EES. Man kann somit aus dem Vergleich mit entsprechenden Unfallversuchen direkt Angaben über die EES eines Fahrzeuges machen.
Bei der Ermittlung der Geschwindigkeitsänderung wird wie folgt vorgegangen: Zunächst wird in der Regel die Kollisionsgeschwindigkeit
aus dem Schadenbild abgeschätzt oder in günstigen Fällen an Hand des Spurenbildes auf der Fahrbahn berechnet.
Dabei wird häufig die EES als Zwischenergebnis und Hilfsgröße verwendet. Aus der Kollisionsgeschwindigkeit wird nach Maßgabe
der Fahrzeugmassen und der Elastizität des Anstoßes dann ein Bereich errechnet, in dem die Geschwindigkeitsänderung gelegen hat.
Bei gegebener Stoßdauer besteht ein direkter Zusammenhang zwischen der Geschwindigkeitsänderung und der auf Fahrzeuginsassen
wirkenden Beschleunigung.
Durch Probandenversuche sind Schwellenwerte für delta v bekannt, von denen an es zu Verletzungen der HWS kommen kann.
Dann kann geprüft werden, ob die für den konkreten Fall ermittelten Werte oberhalb oder unterhalb der bekannten Schwellen liegen.
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Der Stoßfaktor k |
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Wenn man die Kollisionsgeschwindigkeit eingegrenzt hat, lässt sich die Geschwindigkeitsänderung des stehenden Fahrzeugs relativ leicht berechnen. Außer den Massen beider Fahrzeuge und der Aufprallgeschwindigkeit ist noch der Stoßfaktor k zu bestimmen bzw. abzuschätzen.
Der "k-Faktor" ist ein Maß der Elastizität eines Stoßes. Er kann Werte zwischen 0 und 1 annehmen. Ein k-Faktor von 1 entspricht einem vollkommen elastischen Stoß. Ein Beispiel dafür ist der Zusammenstoß zweier Billardkugeln. Ein k-Faktor von 0 bedeutet einen vollkommen plastischen Stoß. Dem kommt z. B. ein Pistolenschuss in einen Sandsack nahe. Prinzipiell gilt: je größer der k-Faktor, desto größer ist bei gleicher Anstoßgeschwindigkeit die Geschwindigkeitsänderung des angestoßenen Körpers.
Auch Pkw-Pkw-Kollisionen sind Stöße mit überwiegend plastischem Charakter. Wenn es zu nennenswerten Blechverformungen gekommen ist, liegt der k-Faktor im Bereich zwischen 0,1 und 0,2. Bei leichteren Stößen spielen die elastischen Bestandteile (Stoßfänger) der Fahrzeuge noch eine größere Rolle. Der k-Faktor kann dann Werte bis etwa 0,4 annehmen. Ferner ist der k-Faktor von der Überdeckung zwischen den Fahrzeugen, der Bauart des heckseitig angestoßenen Fahrzeugs (Kombi, Limousine), der Anstoßhöhe (Stoßfänger gegen Stoßfänger, unter- oder überfahrend) abhängig. Letztlich haben auch spezielle Anbauten, wie
z. B. eine Anhängerkupplung Einfluss auf die Elastizität des Anstoßes und somit auf den k-Faktor. Mehr dazu unter [2].
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Out of position? |
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Häufig wird geltend gemacht, der Betroffene habe bei dem Stoß keine normale Sitzhaltung eingenommen, sondern sich nach vorne gebeugt. Eine von normaler Sitzposition abweichende Körperhaltung wird auch mit dem Begriff "out-of-position" ("oop"), im Gegensatz zu "in position" ("ip"), bezeichnet. In der Literatur findet man immer wieder die Annahme, dass eine solche oop-Haltung das Risiko erhöhe, bei einem Heckaufprall eine HWS-Verletzung zu erleiden. Ein Beleg dafür wurde, etwa durch Probandenversuche oder Realunfalluntersuchungen, jedoch nicht erbracht.
Bisher vorliegende Versuchsreihen weisen tendenziell eher in die Richtung, dass der Einfluss von oop gering oder nicht vorhanden ist. So heißt es bei [3]:
"Bezüglich des Vergleiches "oop" zu "ip" kristallisiert sich die Tendenz heraus, dass unterhalb einer Geschwindigkeitszunahme (gemeint ist immer das gestoßene Fahrzeug) von ca. 10 km/h zumindest dann kein höheres Verletzungsrisiko zu erwarten ist, wenn sich der Fahrer beispielsweise nach vorne in Richtung Radio beugt oder den Kopf verdreht hat, um per Schulterblick sich umzusehen."
In genau die gleiche Richtung weisen spezielle Untersuchungen zur vorgebeugten Haltung, etwa um eine Ampel im Auge zu halten [4]. Hier zeichnet sich durch die vorgebeugte Position der Probanden sogar eine tendenziell geringere Belastung ab.
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Literatur
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[1] Meyer, Stefan; Thomann, S.; Becke, M.:
Der simulierte Heckanstoß
Eine wahrnehmbare Kollision ohne biomechanische Belastung
Verkehrsunfall und Fahrzeugtechnik 05/2002, S. 129ff
[2] Kalthoff, Wolfram; Becke, M.:
Die Stoßzahl bei Auffahrkollisionen. Ein wesentlicher Parameter zur Bestimmung der HWS-Belastung.
Verkehrsunfall und Fahrzeugtechnik 10/2000, S. 275ff
[3] Fürbeth, Volker; Großer, Werner; Müller, Georg:
HWS - Biomechanik 98
Sonderfälle zum Verletzungsrisiko
Verkehrsunfall und Fahrzeugtechnik 2/1999, S. 32ff
[4] Meyer, Stefan; Becke, Manfred u. a.:
FIP - Forward Inclined Position
Insassenbelastung infolge vorgebeugter Sitzposition bei leichten Heckkollisionen.
Verkehrsunfall und Fahrzeugtechnik 7/8/1999, S. 214ff
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